In einkommensschwachen Staaten sind die Einnahmen aus Steuern und Abgaben oft sowohl absolut als auch relativ zur Wirtschaftsleistung gering. Um Infrastruktur und Sozialsysteme bereitstellen zu können, müssen höhere Staatseinnahmen erzielt werden. Gleichzeitig leben in einkommensschwachen Staaten mehr Menschen in prekären Verhältnissen und mit hohem Armutsrisiko. Staatseinnahmen müssen im Entwicklungskontext daher mit besonderem Beachtung ihres Effekts auf die ärmsten Bevölkerungsgruppen erzielt werden, damit der Staat deren Situation nicht noch weiter verschlimmert. Sozialprogramme, die über regressive Steuern finanziert werden, können die Zahl von Menschen unter der Armutsgrenze sogar weiter steigern, obwohl sie insgesamt die Ungleichheit verringern. Eine Meta-Studie zeigt diese Dynamik für einzelne Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen in 16 von 29 Staaten (Lustig, 2018).
In Athiopien mussten lange auch sehr arme Menschen Einkommenssteuern zahlen, es gab keine ausreichenden Freibeträge. Gleichzeitig erreichte das größte Transferprogramm des Landes, das „Productive Safety Net Program“, viele Menschen nicht und die Auszahlungen waren zu gering. 2016 wurde das Problem dadurch angegangen, dass zunächst arme Menschen in urbanen Regionen mit in das Transferprogramm aufgenommen und schließlich höhere Freibeträge für Einkommenssteuern eingeführt wurden (Lustig, 2018).
Das Konzept der Steuerprogressivität ist im Entwicklungskontext daher ganz besonders wichtig. Steuersysteme können durch die Erhebung bestimmter Steuern und durch die Modifikation bestehender Steuern progressiver gestaltet werden. Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die wichtigsten staatlichen Einnahmen und die Chancen und Herausforderungen, die im Entwicklungskontext mit ihnen einher gehen. Das Kapitel ist aufgeteilt nach direkten und indirekten Steuern, sowie Zöllen und Gebühren.
Direkte Steuern
Direkte Steuern erhebt der Staat direkt bei den wirtschaftlich Belasteten – Steuerschuldner und Steuerträger sind identisch. Direkte Steuern können daher, zumindest in der Theorie, gezielt Personen anhand ihrer wirtschaftlichen Zahlungskraft belasten, wie es bei Steuern auf Einkommen und Vermögenswerte der Fall ist. Sie sind tendenziell gute Werkzeuge für den Staat, die Progressivität im Steuersystem zu erhöhen. Allerdings werden auch direkte Steuern in manchen Fällen auf andere überwälzt. So können Unternehmenssteuern sich beispielsweise auf Kundenpreise und Mitarbeitergehälter auswirken, was ihre Progressivität abschwächt. Andererseits werden indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer nicht immer vollständig in den Verkaufspreis eingepreist, auch wenn sie den Kunden formal in Rechnung gestellt werden – was sie weniger regressiv macht. Die Unterscheidung in direkte und indirekte Steuern ist daher nicht in jedem Fall sinnvoll für eine Diskussion der Progressivität verschiedener Steuern. Sie weist jedoch auf Tendenzen hin, welche Gesellschaftsschichten durch die Steuern belastet werden.
Einkommenssteuern
Vor allem auf Einkommen aus Löhnen und Gehältern erheben viele Länder eine Einkommenssteuer. Einige Länder erfassen darüber hinaus auch Einkommen aus Zinsen, Mieteinnahmen, Dividenden, Kapitalerträgen und anderen Einkommensarten. Viele Länder haben nach Einkommen gestaffelte Einkommenssteuersätze, einige erheben aber auch eine sogenannte Flat Tax, die alle Steuerzahler in Relation zum Einkommen gleich stark belastet. Ein gestaffelter Steuersatz ist jedoch zentral, um die Steuer progressiv zu gestalten. Gleichzeitig sollten Freibeträge dafür sorgen, dass Menschen mit niedrigem Einkommen von der Steuer befreit sind. Einnahmen aus Einkommenssteuern bleiben in vielen Ländern des Globalen Südens unter ihrem Potenzial: Während in einkommensstarken Staaten Einkommenssteuern etwa 10 % des BIPs an Staatseinnahmen generieren, wird die Zahl für Subsahara-Afrika auf 2 % geschätzt (Moore & Pritchard, 2017). Dabei können sie sehr progressiv wirken: Da das Einkommen die Zahlungskraft eines Menschen gut abbildet, kann die Einkommenssteuer besonders gut die Steuerzahler adressieren, die in einem progressiven Steuersystem die höchsten Steuern zahlen sollten – nämlich die einkommensstärksten.
Dazu müssen dem Staat allerdings akkurate Informationen zu den Einkommen der Bürger vorliegen. Dies ist aus vielen Gründen ein besondere Herausforderung in Ländern des Globalen Südens. Zunächst sind landwirtschaftliche Einkommen, beispielsweise von Subsistenzfarmern, schwer zu quantifizieren. Auch fehlende Buchführung und der oft große informellen Sektor stellen ein Problem dar. Weil oft nur ein kleiner Teil der Bevölkerung in einem regulären Beschäftigungsverhältnis steht, ist die Basis für die Einkommenssteuer oft recht klein.
Ein Beispiel aus Uganda zeigt, dass nicht notwendigerweise nur kleine Unternehmen und arme Arbeiter unerfasst bleiben: Zwischen 2011 und 2014 zahlten nur ein Drittel der 60 Spitzenanwälte dort Einkommenssteuer. Ein Lösungsansatz kann in spezialisierten Einheiten bestehen, die sich nur um die Steuern der größten Steuerzahler, oder um internationale Steuergestaltungen kümmern.
So kann Expertise gebündelt und ein institutioneller Fokus auf die effektive Erhebung von Einkommens- und Vermögenssteuern gelegt werden. In Uganda konnte durch die Einrichtung des Large Taxpayer Office innerhalb eines Jahres der Anteil der besonders reichen Steuerzahler, die eine Steuererklärung abgegeben haben, von 13 % auf 78 % erhöht werden (Kangave, Nakato, Waiswa, Nalukwago, & Lumala Zzimbe, 2018).
Zudem sorgen mangelnde Kapazitäten der Steuerbehörden, die Intransparenz des globalen Schattenfinanzsystems zu durchdringen, für lückenhafte Informationen zu den Einkommen der Steuerpflichtigen. Die Teilnahme am internationalen Informationsaustausch ist ein Weg für einkommensschwache Staaten, die Transparenz und somit die Steuereinnahmen zu erhöhen.
Die OECD zitiert mehrere Positivbeispiele aus Subsahara-Afrika (The Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes, 2019): Beispielsweise konnte Uganda durch internationalen Informationsaustausch zwischen 2015 und 2018 14 Millionen Dollar zusätzliche Steuereinnahmen generieren. Die Steueramnestie vor Beginn des automatischen Informationsaustauschs hat Südafrika fast 1,5 Milliarden Dollar an Einnahmen gebracht. In Nigeria wurde ebenfalls vor Einführung des automatischen Informationsaustauschs ein Programm zur Einkommens- und Vermögensdeklaration gestartet, welches die Zahl registrierter Steuerzahler von 14 Millionen in 2016 auf 19 Millionen in 2018 vergrößert hat.
Vermögenssteuern
Vermögen kann auf verschiedene Weise besteuert werden. Staaten erheben Vermögenssteuern beispielsweise jährlich als prozentuale Abgabe auf bestehendes Nettovermögen oder im Fall einer Transaktion, wie beispielsweise die Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Verwandt sind separate Steuern auf einzelne Arten von Vermögen, wie die historisch weit verbreiteten Steuern auf Grundbesitz, die in Deutschland in der Grundsteuer aufgegangen sind. Vermögenssteuern weisen ähnliche Chancen und Probleme auf wie die Einkommenssteuern. Vermögenssteuern sind jedoch tendenziell noch progressiver, da Vermögensungleichheit meist höher ist als Einkommensungleichheit. Umfassende Vermögenssteuern sind jedoch weit weniger verbreitet, da sie kompliziert zu erheben sind und oft nur geringe Einnahmen generieren (ActionAid, 2018d).
Leichter zu administrieren sind Steuern, die sich auf physische Vermögenswerte wie Grundbesitz und Immobilieneigentum beschränken. Da auch ärmere Bevölkerungsgruppen häufig Wohneigentum besitzen, sind hohe Freibeträge besonders wichtig. Die Grundlage für Grund- und Immobiliensteuern ist ein adäquates System der Erfassung und Wertbestimmung. Eine bessere Erfassung von Immobilienvermögen steigert außerdem die Transparenz über lokale Besitzverhältnisse und kann somit ein wichtiger Schritt gegen Korruption sein. Dennoch: In Westeuropa, den USA, Kanada und Australien nehmen Steuerbehörden gemessen am BIP etwa doppelt so viel durch Steuern auf Grundbesitz und Immobilien ein wie einkommensschwachen Ländern. Trotzdem liegen die Steuereinnahmen aus Grund- und Immobilieneigentum in den meisten afrikanischen Staaten aufgrund der oft schwach ausgebildeten Administration sogar nahezu bei Null (Ali, Fjeldstad, & Katera, 2017).
Da in Sierra Leone und Malawi wie in vielen anderen afrikanischen Staaten kaum ein Markt existierte, konnten Grundstückspreise mangels Vergleichspreisen nur unzulänglich bewertet werden. Einige Lokalregierungen in den beiden Ländern führten daher, unterstützt von der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, als Annäherung ein Punktesystem ein, welches den Wert eines Grundstücks teilweise anhand der Fläche berechnet. Flächenbasierte Bewertungen sind oft regressiv ist, da für besonders gut ausgebaute Immobilien die gleiche Steuer entrichtet werden muss wie für einfache Behausungen mit gleicher Fläche. Daher wurden in Sierra Leone und Malawi zusätzlich zur Fläche Qualitätsmerkmale der Immobilien wie Baumaterialien und Sanitäreinrichtungen mit in das Punktesystem einbezogen. So wurde ein progressives und einfach zu absolvierendes Bewertungssystem etabliert. Im malawischen Mzuzu zahlten die 100 größten Steuerzahler nach der neuen Bewertung etwa 30 % der Steuereinnahmen. Die Gesamteinnahmen durch die Grundsteuer haben sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt (Fish, 2015).
Unternehmenssteuern
Unternehmensgewinne werden normalerweise auf zwei Ebenen besteuert: zunächst als Unternehmenssteuer auf Ebene des Unternehmens und dann bei der Ausschüttung an die Anteilseigner noch einmal über die Einkommenssteuer. Unternehmenssteuern haben den wichtigen Vorteil, dass sie – zumindest theoretisch – den Gewinn dort, wo er entstanden ist, und zum Zeitpunkt seiner Entstehung besteuern. Die höchsten Unternehmensgewinne entstehen in multinationalen Unternehmen. Deren Anteilseigner sind zu einem großen Teil Investmentgesellschaften und vermögende Individuen aus dem globalen Norden, die die Ausschüttungen oft lange Zeit „zwischenparken“. Wie bereits in Teil 1 beschrieben muss das internationale Unternehmenssteuersystem dringend reformiert werden, damit Unternehmensgewinne tatsächlich dort besteuert werden wo sie entstehen und nicht in Steueroasen oder in die Sitzländer der Mutterunternehmen verschoben werden. Zudem müssen international Daten zu Steuergestaltungen multinationaler Unternehmen ausgetauscht werden. Zuletzt müssen die Interessen der einkommensschwachen Staaten im Rahmen der Neuverteilung von Besteuerungsrechten durch den Inclusive Framework zur Geltung kommen.
Aber Entwicklungsländer haben selbst verschiedene Möglichkeiten tätig zu werden: Staaten im Globalen Süden sollten beispielsweise ihre DBAs überprüfen und in Nachverhandlungen gegen doppelte Nicht-Besteuerung absichern. Denn DBAs sind der Dreh- und Angelpunkt vieler Vermeidungsstrategien von Unternehmen in Ländern mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen, wie die Mauritius Leaks gezeigt haben (Fitzgibbon, 2019).
Ein Positivbeispiel ist das Abkommen zwischen Indien und Mauritius. Die Steueroase Mauritius war über Jahre die größte Quelle ausländischen Investments in Indien. Die indischen Behörden hatten allerdings bereits Jahre vor den Leaks begriffen, dass eine Lücke im DBA mit dem Inselstaat indische uns ausländische Investoren dazu verleitete, ihr Geld über Briefkastenfirmen in Mauritius nach Indien zu leiten – und Indien dadurch hohe Summen verlor. 2017 trat ein Zusatzartikel in Kraft, den Indien nachverhandelt hatte. Von 2017 auf 2018 reduzierte sich das Investment aus Mauritius schlagartig von 9,8 auf 3 Milliarden Dollar. Auch wenn die Änderungen einige Lücken offen lassen, hat Indien mit dieser Neuverhandlung einen starken Präzedenzfall gesetzt (Fowler, 2019).
Problematisch sind außerdem Steueranreize, die Investments von multinationalen Unternehmen anlocken sollen. Laut Schätzungen verliert Subsahara-Afrika jährlich 38,6 Milliarden Dollar durch Steuerermäßigungen für Unternehmen und Ausnahmen von Mehrwertsteuern und Importzöllen (ActionAid, 2017). Einzelne Länder wie Senegal und Ghana zahlen über 6 % ihres BIPs und verlieren über 40 % der Steuereinnahmen (Gupta & Plant, 2019). Auch der IWF bestätigt, dass Steueranreize für Unternehmen oft zwar teuer aber nicht effektiv sind. Viele Investments würden auch ohne steuerliche Anreize fließen, da Infrastruktur und ein transparentes Rechtssystem von Unternehmen als wichtigere Faktoren eingeschätzt werden (IWF, 2015). Hier können Staaten ebenfalls selbstständig nachbessern.
Indirekte Steuern
Indirekte Steuern werden nicht von wirtschaftlich belasteten Person abgeführt, sondern von Dritten wie etwa Händlern oder produzierenden Unternehmen, und direkt weitergereicht. Indirekte Steuern erhöhen daher den Endpreis für die Konsumenten. Sie belasten in absoluten Zahlen alle Menschen in einem Staat gleichermaßen, so sie denn die gleichen Güter konsumieren. Da ärmere Menschen einen größeren Anteil ihres Einkommens konsumieren als reichere Schichten, sind sie aber meist stärker von indirekten Steuern betroffen. Soweit keine Modifikationen stattfinden oder nur einzelne Güter besteuert werden, die vermehrt von reichen Steuerzahlern konsumiert werden, sind indirekte Steuern daher tendenziell regressiv.
Umsatzsteuern
Umsatzsteuer fallen an, wenn eine Ware verkauft wird, und werden prozentual auf den Umsatz erhoben. Die wichtigste Umsatzsteuer ist die Mehrwertsteuer, die im Zuge der Strukturanpassungsprogramme des IWF ab den 1980er-Jahren in vielen Ländern eingeführt wurde. Viele Staaten finanzieren sich in hohem Maße durch die Mehrwertsteuer. Zwischen 2012 und 2016 hat sie für Uganda mehr als ein Drittel der gesamten Steuern generiert; für Ghana beträgt der Anteil der Mehrwertsteuer an den Gesamtsteuereinnahmen 29% (ActionAid, 2018b).
Die Steuer wird auf den Mehrwert erhoben, der an den verschiedenen Stationen der Herstellung generiert wird, und typischerweise von den finalen Konsumenten getragen. Mehrwertsteuern sind daher oft regressiv und belasten besonders arme Menschen stark, solange keine Ausnahmeregelungen für bestimmte Produkte getroffen werden. Steuerprogressivität kann beispielsweise durch einen erhöhten Mehrwertsteuersatz für Luxusprodukte hergestellt werden. Um zu vermeiden, dass Menschen in Armutsrisiko negativ von einer Mehrwertsteuer betroffen sind, können zudem Ausnahmen geschaffen werden. Grundnahrungsmittel und essenzielle Güter sollten von der Steuer befreit sein oder einem reduzierten Steuersatz unterliegen. Eine Herausforderung für Staaten ist es daher, das Konsumverhalten der vulnerablen Schichten genau zu studieren, um das Targeting der Ausnahmen erfolgreich zu gestalten.
Verbrauchssteuern
Verbrauchssteuern werden auf einzelne Güter und Dienstleistungen erhoben. Betroffen sind oft Luxusprodukte und Genussmittel wie Alkohol und Tabak. Auch auf Energieträger wie Kraftstoffe oder Strom werden sie erhoben. Verbrauchssteuern stellen für einige einkommensschwachen Ländern eine wichtige Einnahmequelle dar, da sie relativ leicht zu verwalten sind. Indonesien beispielsweise plant für 2020, dass Tabaksteuern 9% der Staatseinnahmen ausmachen (The Insider Stories, 2019). Der Anteil von Verbrauchssteuern variiert jedoch stark und liegt für die meisten einkommensschwachen Staaten vermutlich signifikant niedriger (Moore & Pritchard, 2017).
Da sie alle Konsumenten gleich treffen, sind Verbrauchssteuern meist ebenfalls regressiv. Staaten haben jedoch einen größeren Gestaltungsspielraum ob der Progressivität als bei der umfassenderen Mehrwertsteuer – und nutzen diesen auch häufig. Extrasteuern auf bestimmte importierte Waren oder Luxusgüter wie Parfum oder Yachten wirken sich progressiv auf das Steuersystem auf. Zudem kann der Staat mit Verbrauchsteuern gezielt unerwünschtes Verhalten der Bürger adressieren, was einen unterschiedlichen Effekt auf verschiedene Bevölkerungsgruppen hat.
Beispiel „Sündensteuern“: Tabaksteuern treffen zunächst vor allem arme Schichten, die in der Mehrzahl der Länder häufiger rauchen als einkommensstärkere Mitbürger (Crawfurd & Le Nestour, 2019). Langfristig haben Tabaksteuern allerdings auch die größten Vorteile für Raucher und deren Familien. Denn sie reduzieren den Konsum und somit auch die Ausgaben für die medizinische Versorgung, die wegen der gesundheitlichen Schäden durch das Rauchen angefallen wären (Fuchs, Márquez, Dutta, & González Icaza, 2019).
Während Verbrauchssteuern auf Kraftstoff im Globalen Norden Anreize bieten sollen, nachhaltige Transportmittel zu nutzen, und daher durchaus positiv zu sehen sind, muss in einkommensschwachen Ländern mit großer Vorsicht vorgegangen werden: Steuern auf Kraftstoff treffen arme Schichten häufig besonders hart und können mittels Erhöhung der Transportkosten für höhere Preise essenzieller Güter sorgen. Hier kann eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Kraftstoffen (z. B. Benzin, Diesel, Kerosin) helfen. Ausnahmen sollten für die Kraftstoffe gelten, die hauptsächlich zum Kochen und den Transport von Menschen mit niedrigen Einkommen genutzt werden (z. B. Diesel für Kleinbusse, ActionAid, 2018a).
Problematische Verbrauchssteuern sind beispielsweise die in afrikanischen Staaten zunehmend eingeführten Steuern auf die Nutzung von Mobiltelefonen. Kenia hat 2018 Verbrauchssteuern unter anderem auf Telefonate, elektronische Bezahlmethoden mit Mobiltelefonen und mobilen Internetzugang signifikant erhöht. Diese Steuern sind zum großen Teil regressiv. Zudem besteht die Gefahr, dass die durch populäre mobile Geldtransfersysteme wie M‑Pesa erreichte finanzielle Eingliederung ärmerer Bevölkerungsgruppen wieder rückgängig gemacht wird (Ndung’u, 2019).
Zölle und Gebühren
Zölle haben seit den 1970er-Jahren stark an Wichtigkeit abgenommen. In vielen Staaten des Globalen Südens konnte der Verlust an Steuereinnahmen durch die Reduktion von Zöllen jedoch nicht oder nur sehr langsam kompensiert werden. Die einheimischen Wirtschaften waren nicht groß genug, um die Verluste aufzufangen (Cagé & Gadenne, 2016). Zölle sollten daher im Rahmen von Freihandelsabkommen nicht leichtfertig aus dem Arsenal einkommensschwacher Staaten gestrichen werden. Ob Zölle regressiv wirken, hängt von den belegten Waren ab. Zollfreiheit für die Güter, die von Kleinbauern angebaut oder den ärmeren Schichten konsumiert werden, ist daher sinnvoll. Progressiv sind Zölle auf Luxusgüter – oder finanzielle Transaktionen.
Eine besonders leicht zu vereinnahmende Finanzierungsquelle für Staaten mit schwachen Besteuerungskapazitäten sind Gebühren für staatliche Dienstleistungen. Im Hinblick auf Progressivität sind solche Gebühren jedoch meist negativ zu bewerten. Gerade Gebühren für Basisdienstleistungen des Staates wie die Bereitstellung von Wasser und Identifikationsdokumenten treffen einkommensschwache Gruppen besonders hart.
Beispiel Guatemala: Es dauerte 23 Jahre bis sich die Staatseinnahmen von der massiven Reduktion der Zölle erholt hatten.
Rote Linie bis blaue Linie: Episode der Handelsliberalisierung; grüne Linie: Jahr der Erholung der Staatseinnahmen. Quelle: Cagé & Gadenne, 2016, 27
Ein Beispiel sind die zahlreichen Gebühren für Markt-Händler in Sambia: So muss zusätzlich zur Marktgebühr eine Abgabe für Wasserkanister und Toilettennutzung erstattet werden. Gerade weibliche Händler entscheiden sich daher häufig, für Wasser zu schließen – was für Einnahmeverluste sorgt. Auf einem ghanaischen Markt nahe Accra müssen sämtliche informellen Händler zusätzlich zu einer einheitlich bepreisten Steuermarke Markt- und Lizenzgebühren zahlen. Da besonders die Betreiber kleiner Stände teilweise sogar unter der Grenze für die Einkommensteuer liegen, stellen diese Abgaben eine unverhältnismäßig große Bürde für sie dar (ActionAid, 2018b).
[1] Auch direkte Steuern können auf andere Personen abgewälzt werden. Die Trennung in direkte und indirekte Steuern ist daher nicht immer scharf, gibt aber Tendenzen an.