In einkom­menss­chwachen Staat­en sind die Ein­nah­men aus Steuern und Abgaben oft sowohl abso­lut als auch rel­a­tiv zur Wirtschaft­sleis­tung ger­ing. Um Infra­struk­tur und Sozial­sys­teme bere­it­stellen zu kön­nen, müssen höhere Staat­sein­nah­men erzielt wer­den. Gle­ichzeit­ig leben in einkom­menss­chwachen Staat­en mehr Men­schen in prekären Ver­hält­nis­sen und mit hohem Armut­srisiko. Staat­sein­nah­men müssen im Entwick­lungskon­text daher mit beson­derem Beach­tung ihres Effek­ts auf die ärm­sten Bevölkerungs­grup­pen erzielt wer­den, damit der Staat deren Sit­u­a­tion nicht noch weit­er ver­schlim­mert. Sozial­pro­gramme, die über regres­sive Steuern finanziert wer­den, kön­nen die Zahl von Men­schen unter der Armutsgren­ze sog­ar weit­er steigern, obwohl sie ins­ge­samt die Ungle­ich­heit ver­ringern. Eine Meta-Studie zeigt diese Dynamik für einzelne Bevölkerungs­grup­pen mit niedri­gen Einkom­men in 16 von 29 Staat­en (Lustig, 2018).

In Athiopi­en mussten lange auch sehr arme Men­schen Einkom­menss­teuern zahlen, es gab keine aus­re­ichen­den Frei­be­träge. Gle­ichzeit­ig erre­ichte das größte Trans­fer­pro­gramm des Lan­des, das „Pro­duc­tive Safe­ty Net Pro­gram“, viele Men­schen nicht und die Auszahlun­gen waren zu ger­ing. 2016 wurde das Prob­lem dadurch ange­gan­gen, dass zunächst arme Men­schen in urba­nen Regio­nen mit in das Trans­fer­pro­gramm aufgenom­men und schließlich höhere Frei­be­träge für Einkom­menss­teuern einge­führt wur­den (Lustig, 2018).

Das Konzept der Steuer­pro­gres­siv­ität ist im Entwick­lungskon­text daher ganz beson­ders wichtig. Steuer­sys­teme kön­nen durch die Erhe­bung bes­timmter Steuern und durch die Mod­i­fika­tion beste­hen­der Steuern pro­gres­siv­er gestal­tet wer­den. Dieses Kapi­tel bietet  einen Überblick über die wichtig­sten staatlichen Ein­nah­men und die Chan­cen und Her­aus­forderun­gen, die im Entwick­lungskon­text mit ihnen ein­her gehen. Das Kapi­tel ist aufgeteilt nach direk­ten und indi­rek­ten Steuern, sowie Zöllen und Gebühren.

 

 

Direkte Steuern

Direk­te Steuern erhebt der Staat direkt bei den wirtschaftlich Belasteten – Steuer­schuld­ner und Steuerträger sind iden­tisch. Direk­te Steuern kön­nen daher, zumin­d­est in der The­o­rie, gezielt Per­so­n­en anhand ihrer wirtschaftlichen Zahlungskraft belas­ten, wie es bei Steuern auf Einkom­men und Ver­mö­genswerte der Fall ist. Sie sind ten­den­ziell gute Werkzeuge für den Staat, die Pro­gres­siv­ität im Steuer­sys­tem zu erhöhen. Allerd­ings wer­den auch direk­te Steuern in manchen Fällen auf andere über­wälzt. So kön­nen Unternehmenss­teuern sich beispiel­sweise auf Kun­den­preise und Mitar­beit­erge­häl­ter auswirken, was ihre Pro­gres­siv­ität abschwächt. Ander­er­seits wer­den indi­rek­te Steuern wie die Mehrw­ert­s­teuer nicht immer voll­ständig in den Verkauf­spreis eingepreist, auch  wenn sie den Kun­den for­mal in Rech­nung gestellt wer­den – was sie weniger regres­siv macht. Die Unter­schei­dung in direk­te und indi­rek­te Steuern ist daher nicht in jedem Fall sin­nvoll für eine Diskus­sion der Pro­gres­siv­ität ver­schieden­er Steuern. Sie weist jedoch auf Ten­den­zen hin, welche Gesellschaftss­chicht­en durch die Steuern belastet werden.

 

Einkom­menss­teuern

Vor allem auf Einkom­men aus Löh­nen und Gehäl­tern erheben viele Län­der eine Einkom­menss­teuer. Einige Län­der erfassen darüber hin­aus auch Einkom­men aus Zin­sen, Mietein­nah­men, Div­i­den­den, Kap­i­talerträ­gen und anderen Einkom­men­sarten. Viele Län­der haben nach Einkom­men gestaffelte Einkom­menss­teuer­sätze, einige erheben aber auch eine soge­nan­nte Flat Tax, die alle Steuerzahler in Rela­tion zum Einkom­men gle­ich stark belastet. Ein gestaffel­ter Steuer­satz ist jedoch zen­tral, um die Steuer pro­gres­siv zu gestal­ten. Gle­ichzeit­ig soll­ten Frei­be­träge dafür sor­gen, dass Men­schen mit niedrigem Einkom­men von der Steuer befre­it sind. Ein­nah­men aus Einkom­menss­teuern bleiben in vie­len Län­dern des Glob­alen Südens unter ihrem Poten­zial: Während in einkom­mensstarken Staat­en Einkom­menss­teuern etwa 10 % des BIPs an Staat­sein­nah­men gener­ieren, wird die Zahl für Sub­sa­hara-Afri­ka auf 2 % geschätzt (Moore & Pritchard, 2017). Dabei kön­nen sie sehr pro­gres­siv wirken: Da das Einkom­men die Zahlungskraft eines Men­schen gut abbildet, kann die Einkom­menss­teuer beson­ders gut die Steuerzahler adressieren, die in einem pro­gres­siv­en Steuer­sys­tem die höch­sten Steuern zahlen soll­ten – näm­lich die einkom­mensstärk­sten.
Dazu müssen dem Staat allerd­ings akku­rate Infor­ma­tio­nen zu den Einkom­men der Bürg­er vor­liegen. Dies ist aus vie­len Grün­den ein beson­dere Her­aus­forderung in Län­dern des Glob­alen Südens. Zunächst sind land­wirtschaftliche Einkom­men, beispiel­sweise von Sub­sis­ten­z­farmern, schw­er zu quan­tifizieren. Auch fehlende Buch­führung und der oft große informellen Sek­tor stellen ein Prob­lem dar. Weil oft nur ein klein­er Teil der Bevölkerung in einem reg­ulären Beschäf­ti­gungsver­hält­nis ste­ht, ist die Basis für die Einkom­menss­teuer oft recht klein.

Ein Beispiel aus Ugan­da zeigt, dass nicht notwendi­ger­weise nur kleine Unternehmen und arme Arbeit­er uner­fasst bleiben: Zwis­chen 2011 und 2014 zahlten nur ein Drit­tel der 60 Spitzenan­wälte dort Einkom­menss­teuer. Ein Lösungsansatz kann in spezial­isierten Ein­heit­en beste­hen, die sich nur um die Steuern der größten Steuerzahler, oder um inter­na­tionale Steuergestal­tun­gen kümmern.

So kann Exper­tise gebün­delt und ein insti­tu­tioneller Fokus auf die effek­tive Erhe­bung von Einkom­mens- und Ver­mö­genss­teuern gelegt wer­den. In Ugan­da kon­nte durch die Ein­rich­tung des Large Tax­pay­er Office inner­halb eines Jahres der Anteil der beson­ders reichen Steuerzahler, die eine Steuer­erk­lärung abgegeben haben, von 13 % auf 78 % erhöht wer­den (Kan­gave, Naka­to, Waiswa, Naluk­wa­go, & Lumala Zzimbe, 2018).

Zudem sor­gen man­gel­nde Kapaz­itäten der Steuer­be­hör­den, die Intrans­parenz des glob­alen Schat­ten­fi­nanzsys­tems zu durch­drin­gen, für lück­en­hafte Infor­ma­tio­nen zu den Einkom­men der Steuerpflichti­gen. Die Teil­nahme am inter­na­tionalen Infor­ma­tion­saus­tausch ist ein Weg für einkom­menss­chwache Staat­en, die Trans­parenz und somit die Steuere­in­nah­men zu erhöhen.

Die OECD zitiert mehrere Pos­i­tivbeispiele aus Sub­sa­hara-Afri­ka (The Glob­al Forum on Trans­paren­cy and Exchange of Infor­ma­tion for Tax Pur­pos­es, 2019): Beispiel­sweise kon­nte Ugan­da durch inter­na­tionalen Infor­ma­tion­saus­tausch zwis­chen 2015 und 2018 14 Mil­lio­nen Dol­lar zusät­zliche Steuere­in­nah­men gener­ieren. Die Steuer­amnestie vor Beginn des automa­tis­chen Infor­ma­tion­saus­tauschs hat Südafri­ka fast 1,5 Mil­liar­den Dol­lar an Ein­nah­men gebracht. In Nige­ria wurde eben­falls vor Ein­führung des automa­tis­chen Infor­ma­tion­saus­tauschs ein Pro­gramm zur Einkom­mens- und Ver­mö­gens­dekla­ra­tion ges­tartet, welch­es die Zahl reg­istri­ert­er Steuerzahler von 14 Mil­lio­nen in 2016 auf 19 Mil­lio­nen in 2018 ver­größert hat.

 

Ver­mö­genss­teuern

Ver­mö­gen kann auf ver­schiedene Weise besteuert wer­den. Staat­en erheben Ver­mö­genss­teuern beispiel­sweise jährlich als prozen­tuale Abgabe auf beste­hen­des Net­tover­mö­gen oder im Fall ein­er Transak­tion, wie beispiel­sweise die Erb­schafts- oder Schenkungss­teuer. Ver­wandt sind sep­a­rate Steuern auf einzelne Arten von Ver­mö­gen, wie die his­torisch weit ver­bre­it­eten Steuern auf Grundbe­sitz, die in Deutsch­land in der Grund­s­teuer aufge­gan­gen sind. Ver­mö­genss­teuern weisen ähn­liche Chan­cen und Prob­leme auf wie die Einkom­menss­teuern. Ver­mö­genss­teuern sind jedoch ten­den­ziell noch pro­gres­siv­er, da Ver­mö­gen­sun­gle­ich­heit meist höher ist als Einkom­men­su­n­gle­ich­heit. Umfassende Ver­mö­genss­teuern sind jedoch weit weniger ver­bre­it­et, da sie kom­pliziert zu erheben sind und oft nur geringe Ein­nah­men gener­ieren (Action­Aid, 2018d).

Leichter zu admin­istri­eren sind Steuern, die sich auf physis­che Ver­mö­genswerte wie Grundbe­sitz und Immo­bilieneigen­tum beschränken. Da auch ärmere Bevölkerungs­grup­pen häu­fig Wohneigen­tum besitzen, sind hohe Frei­be­träge beson­ders wichtig. Die Grund­lage für Grund- und Immo­bilien­s­teuern ist ein adäquates Sys­tem der Erfas­sung und Wertbes­tim­mung. Eine bessere Erfas­sung von Immo­bilien­ver­mö­gen steigert außer­dem die Trans­parenz über lokale Besitzver­hält­nisse und kann somit ein wichtiger Schritt gegen Kor­rup­tion sein. Den­noch: In Wes­teu­ropa, den USA, Kana­da und Aus­tralien nehmen Steuer­be­hör­den gemessen am BIP etwa dop­pelt so viel durch Steuern auf Grundbe­sitz und Immo­bilien ein wie einkom­menss­chwachen Län­dern. Trotz­dem liegen die Steuere­in­nah­men aus Grund- und Immo­bilieneigen­tum in den meis­ten afrikanis­chen Staat­en auf­grund der oft schwach aus­ge­bilde­ten Admin­is­tra­tion sog­ar nahezu bei Null (Ali, Fjeld­stad, & Kat­era, 2017).

Da in Sier­ra Leone und Malawi wie in vie­len anderen afrikanis­chen Staat­en kaum ein Markt existierte, kon­nten Grund­stück­spreise man­gels Ver­gle­ich­spreisen nur unzulänglich bew­ertet wer­den. Einige Lokalregierun­gen in den bei­den Län­dern führten daher, unter­stützt von der deutschen Gesellschaft für inter­na­tionale Zusam­me­nar­beit, als Annäherung ein Punk­tesys­tem ein, welch­es den Wert eines Grund­stücks teil­weise anhand der Fläche berech­net. Flächen­basierte Bew­er­tun­gen sind oft regres­siv ist, da für beson­ders gut aus­ge­baute Immo­bilien die gle­iche Steuer entrichtet wer­den muss wie für ein­fache Behausun­gen mit gle­ich­er Fläche. Daher wur­den in Sier­ra Leone und Malawi zusät­zlich zur Fläche Qual­itätsmerk­male der Immo­bilien wie Bau­ma­te­ri­alien und San­itärein­rich­tun­gen mit in das Punk­tesys­tem ein­be­zo­gen. So wurde ein pro­gres­sives und ein­fach zu absolvieren­des Bew­er­tungssys­tem etabliert. Im malaw­is­chen Mzuzu zahlten die 100 größten Steuerzahler nach der neuen Bew­er­tung etwa 30 % der Steuere­in­nah­men. Die Gesamtein­nah­men durch die Grund­s­teuer haben sich inner­halb eines Jahres mehr als ver­dop­pelt (Fish, 2015).

 

Unternehmenss­teuern

Unternehmensgewinne wer­den nor­maler­weise auf zwei Ebe­nen besteuert: zunächst als Unternehmenss­teuer auf Ebene des Unternehmens und dann bei der Auss­chüt­tung an die Anteil­seign­er noch ein­mal über die Einkom­menss­teuer. Unternehmenss­teuern haben den wichti­gen Vorteil, dass sie – zumin­d­est the­o­retisch – den Gewinn dort, wo er ent­standen ist, und zum Zeit­punkt sein­er Entste­hung besteuern. Die höch­sten Unternehmensgewinne entste­hen in multi­na­tionalen Unternehmen. Deren Anteil­seign­er sind zu einem großen Teil Invest­ment­ge­sellschaften und ver­mö­gende Indi­viduen aus dem glob­alen Nor­den, die die Auss­chüt­tun­gen oft lange Zeit „zwis­chen­parken“. Wie bere­its in Teil 1 beschrieben muss das inter­na­tionale Unternehmenss­teuer­sys­tem drin­gend reformiert wer­den, damit Unternehmensgewinne tat­säch­lich dort besteuert wer­den wo sie entste­hen und nicht in Steueroasen oder in die Sit­zlän­der der Mut­terun­ternehmen ver­schoben wer­den. Zudem müssen inter­na­tion­al Dat­en zu Steuergestal­tun­gen multi­na­tionaler Unternehmen aus­ge­tauscht wer­den. Zulet­zt müssen die Inter­essen der einkom­menss­chwachen Staat­en im Rah­men der Neu­verteilung von Besteuerungsrecht­en durch den Inclu­sive Frame­work zur Gel­tung kommen.

Aber Entwick­lungslän­der haben selb­st ver­schiedene Möglichkeit­en tätig zu wer­den: Staat­en im Glob­alen Süden soll­ten beispiel­sweise ihre DBAs über­prüfen und in Nachver­hand­lun­gen gegen dop­pelte Nicht-Besteuerung absich­ern. Denn DBAs sind der Dreh- und Angelpunkt viel­er Ver­mei­dungsstrate­gien von Unternehmen in Län­dern mit niedrigem Pro-Kopf-Einkom­men, wie die Mau­ri­tius Leaks gezeigt haben (Fitzgib­bon, 2019).

Ein Pos­i­tivbeispiel ist das Abkom­men zwis­chen Indi­en und Mau­ri­tius. Die Steueroase Mau­ri­tius war über Jahre die größte Quelle aus­ländis­chen Invest­ments in Indi­en. Die indis­chen Behör­den hat­ten allerd­ings bere­its Jahre vor den Leaks begrif­f­en, dass eine Lücke im DBA mit dem Insel­staat indis­che uns aus­ländis­che Inve­storen dazu ver­leit­ete, ihr Geld über Briefkas­ten­fir­men in Mau­ri­tius nach Indi­en zu leit­en – und Indi­en dadurch hohe Sum­men ver­lor. 2017 trat ein Zusatzartikel in Kraft, den Indi­en nachver­han­delt hat­te. Von 2017 auf 2018 reduzierte sich das Invest­ment aus Mau­ri­tius schla­gar­tig von 9,8 auf 3 Mil­liar­den Dol­lar. Auch wenn die Änderun­gen einige Lück­en offen lassen, hat Indi­en mit dieser Neu­ver­hand­lung einen starken Präze­den­z­fall geset­zt (Fowler, 2019).

Prob­lema­tisch sind außer­dem Steuer­an­reize, die Invest­ments von multi­na­tionalen Unternehmen anlock­en sollen. Laut Schätzun­gen ver­liert Sub­sa­hara-Afri­ka jährlich 38,6 Mil­liar­den Dol­lar durch Steuer­ermäßi­gun­gen für Unternehmen und Aus­nah­men von Mehrw­ert­s­teuern und Importzöllen (Action­Aid, 2017). Einzelne Län­der wie Sene­gal und Ghana zahlen über 6 % ihres BIPs und ver­lieren über 40 % der Steuere­in­nah­men (Gup­ta & Plant, 2019). Auch der IWF bestätigt, dass Steuer­an­reize für Unternehmen oft zwar teuer aber nicht effek­tiv sind. Viele Invest­ments wür­den auch ohne steuer­liche Anreize fließen, da Infra­struk­tur und ein trans­par­entes Rechtssys­tem von Unternehmen als wichtigere Fak­toren eingeschätzt wer­den (IWF, 2015). Hier kön­nen Staat­en eben­falls selb­st­ständig nachbessern.

 

 

Indirekte Steuern

Indi­rek­te Steuern wer­den nicht von wirtschaftlich belasteten Per­son abge­führt, son­dern von Drit­ten wie etwa Händlern oder pro­duzieren­den Unternehmen, und direkt weit­erg­ere­icht. Indi­rek­te Steuern erhöhen daher den End­preis für die Kon­sumenten. Sie belas­ten in absoluten Zahlen alle Men­schen in einem Staat gle­icher­maßen, so sie denn die gle­ichen Güter kon­sum­ieren. Da ärmere Men­schen einen größeren Anteil ihres Einkom­mens kon­sum­ieren als reichere Schicht­en, sind sie aber meist stärk­er von indi­rek­ten Steuern betrof­fen. Soweit keine Mod­i­fika­tio­nen stat­tfind­en oder nur einzelne Güter besteuert wer­den, die ver­mehrt von reichen Steuerzahlern kon­sum­iert wer­den, sind indi­rek­te Steuern daher ten­den­ziell regressiv.

 

Umsatzs­teuern

Umsatzs­teuer fall­en an, wenn eine Ware verkauft wird, und wer­den prozen­tu­al auf den Umsatz erhoben. Die wichtig­ste Umsatzs­teuer ist die Mehrw­ert­s­teuer, die im Zuge der Struk­tu­ran­pas­sung­spro­gramme des IWF ab den 1980er-Jahren in vie­len Län­dern einge­führt wurde. Viele Staat­en finanzieren sich in hohem Maße durch die Mehrw­ert­s­teuer. Zwis­chen 2012 und 2016 hat sie für Ugan­da mehr als ein Drit­tel der gesamten Steuern gener­iert; für Ghana beträgt der Anteil der Mehrw­ert­s­teuer an den Gesamt­s­teuere­in­nah­men 29% (Action­Aid, 2018b).

Die Steuer wird auf den Mehrw­ert erhoben, der an den ver­schiede­nen Sta­tio­nen der Her­stel­lung gener­iert wird, und typ­is­cher­weise von den finalen Kon­sumenten getra­gen. Mehrw­ert­s­teuern sind daher oft regres­siv und belas­ten beson­ders arme Men­schen stark, solange keine Aus­nah­meregelun­gen für bes­timmte Pro­duk­te getrof­fen wer­den. Steuer­pro­gres­siv­ität kann beispiel­sweise durch einen erhöht­en Mehrw­ert­s­teuer­satz für Luxu­s­pro­duk­te hergestellt wer­den. Um zu ver­mei­den, dass Men­schen in Armut­srisiko neg­a­tiv von ein­er Mehrw­ert­s­teuer betrof­fen sind, kön­nen zudem Aus­nah­men geschaf­fen wer­den. Grund­nahrungsmit­tel und essen­zielle Güter soll­ten von der Steuer befre­it sein oder einem reduzierten Steuer­satz unter­liegen. Eine Her­aus­forderung für Staat­en ist es daher, das Kon­sumver­hal­ten der vul­ner­a­blen Schicht­en genau zu studieren, um das Tar­get­ing der Aus­nah­men erfol­gre­ich zu gestalten.

 

Ver­brauchss­teuern

Ver­brauchss­teuern wer­den auf einzelne Güter und Dien­stleis­tun­gen erhoben. Betrof­fen sind oft Luxu­s­pro­duk­te und Genuss­mit­tel wie Alko­hol und Tabak. Auch auf Energi­eträger wie Kraft­stoffe oder Strom wer­den sie erhoben. Ver­brauchss­teuern stellen für einige einkom­menss­chwachen Län­dern eine wichtige Ein­nah­me­quelle dar, da sie rel­a­tiv leicht zu ver­wal­ten sind. Indone­sien beispiel­sweise plant für 2020, dass Tabak­s­teuern 9% der Staat­sein­nah­men aus­machen (The Insid­er Sto­ries, 2019). Der Anteil von Ver­brauchss­teuern vari­iert jedoch stark und liegt für die meis­ten einkom­menss­chwachen Staat­en ver­mut­lich sig­nifikant niedriger (Moore & Pritchard, 2017).

Da sie alle Kon­sumenten gle­ich tre­f­fen, sind Ver­brauchss­teuern meist eben­falls regres­siv. Staat­en haben jedoch einen größeren Gestal­tungsspiel­raum ob der Pro­gres­siv­ität als bei der umfassenderen Mehrw­ert­s­teuer – und nutzen diesen auch häu­fig. Extrasteuern auf bes­timmte importierte Waren oder Luxu­s­güter wie Par­fum oder Yacht­en wirken sich pro­gres­siv auf das Steuer­sys­tem auf. Zudem kann der Staat mit Ver­brauch­s­teuern gezielt uner­wün­scht­es Ver­hal­ten der Bürg­er adressieren, was einen unter­schiedlichen Effekt auf ver­schiedene Bevölkerungs­grup­pen hat.

Beispiel „Sün­den­s­teuern“: Tabak­s­teuern tre­f­fen zunächst vor allem arme Schicht­en, die in der Mehrzahl der Län­der häu­figer rauchen als einkom­mensstärkere Mit­bürg­er (Craw­furd & Le Nes­tour, 2019). Langfristig haben Tabak­s­teuern allerd­ings auch die größten Vorteile für Rauch­er und deren Fam­i­lien. Denn sie reduzieren den Kon­sum und somit auch die Aus­gaben für die medi­zinis­che Ver­sorgung, die wegen der gesund­heitlichen Schä­den durch das Rauchen ange­fall­en wären (Fuchs, Márquez, Dut­ta, & González Icaza, 2019).

Während Ver­brauchss­teuern auf Kraft­stoff im Glob­alen Nor­den Anreize bieten sollen, nach­haltige Trans­port­mit­tel zu nutzen, und daher dur­chaus pos­i­tiv zu sehen sind, muss in einkom­menss­chwachen Län­dern mit großer Vor­sicht vorge­gan­gen wer­den: Steuern auf Kraft­stoff tre­f­fen arme Schicht­en häu­fig beson­ders hart und kön­nen mit­tels Erhöhung der Trans­portkosten für höhere Preise essen­zieller Güter sor­gen. Hier kann eine Unter­schei­dung zwis­chen ver­schiede­nen Kraft­stof­fen (z. B. Ben­zin, Diesel, Kerosin) helfen. Aus­nah­men soll­ten für die Kraft­stoffe gel­ten, die haupt­säch­lich zum Kochen und den Trans­port von Men­schen mit niedri­gen Einkom­men genutzt wer­den (z. B. Diesel für Klein­busse, Action­Aid, 2018a).

Prob­lema­tis­che Ver­brauchss­teuern sind beispiel­sweise die in afrikanis­chen Staat­en zunehmend einge­führten Steuern auf die Nutzung von Mobil­tele­fo­nen. Kenia hat 2018 Ver­brauchss­teuern unter anderem auf Tele­fonate, elek­tro­n­is­che Bezahl­meth­o­d­en mit Mobil­tele­fo­nen und mobilen Inter­net­zu­gang sig­nifikant erhöht. Diese Steuern sind zum großen Teil regres­siv. Zudem beste­ht die Gefahr, dass die durch pop­uläre mobile Geld­trans­fer­sys­teme wie M‑Pesa erre­ichte finanzielle Eingliederung ärmer­er Bevölkerungs­grup­pen wieder rück­gängig gemacht wird (Ndung’u, 2019).

 

 

Zölle und Gebühren

 

Zölle haben seit den 1970er-Jahren stark an Wichtigkeit abgenom­men. In vie­len Staat­en des Glob­alen Südens kon­nte der Ver­lust an Steuere­in­nah­men durch die Reduk­tion von Zöllen jedoch nicht oder nur sehr langsam kom­pen­siert wer­den. Die ein­heimis­chen Wirtschaften waren nicht groß genug, um die Ver­luste aufz­u­fan­gen (Cagé & Gadenne, 2016). Zölle soll­ten daher im Rah­men von Frei­han­delsabkom­men nicht leicht­fer­tig aus dem Arse­nal einkom­menss­chwach­er Staat­en gestrichen wer­den. Ob Zölle regres­siv wirken, hängt von den belegten Waren ab. Zoll­frei­heit für die Güter, die von Klein­bauern ange­baut oder den ärmeren Schicht­en kon­sum­iert wer­den, ist daher sin­nvoll. Pro­gres­siv sind Zölle auf Luxu­s­güter – oder finanzielle Transaktionen.

Eine beson­ders leicht zu vere­in­nah­mende Finanzierungsquelle für Staat­en mit schwachen Besteuerungska­paz­itäten sind Gebühren für staatliche Dien­stleis­tun­gen. Im Hin­blick auf Pro­gres­siv­ität sind solche Gebühren jedoch meist neg­a­tiv zu bew­erten. Ger­ade Gebühren für Basis­di­en­stleis­tun­gen des Staates wie die Bere­it­stel­lung von Wass­er und Iden­ti­fika­tions­doku­menten tre­f­fen einkom­menss­chwache Grup­pen beson­ders hart.

Beispiel Guatemala: Es dauerte 23 Jahre bis sich die Staat­sein­nah­men von der mas­siv­en Reduk­tion der Zölle erholt hatten.

Rote Lin­ie bis blaue Lin­ie: Episode der Han­del­slib­er­al­isierung; grüne Lin­ie: Jahr der Erhol­ung der Staat­sein­nah­men. Quelle: Cagé & Gadenne, 2016, 27

Ein Beispiel sind die zahlre­ichen Gebühren für Markt-Händler in Sam­bia: So muss zusät­zlich zur Mark­t­ge­bühr eine Abgabe für Wasserkanis­ter und Toi­let­ten­nutzung erstat­tet wer­den. Ger­ade weib­liche Händler entschei­den sich daher häu­fig, für Wass­er zu schließen – was für Ein­nah­mev­er­luste sorgt. Auf einem ghanais­chen Markt nahe Accra müssen sämtliche informellen Händler zusät­zlich zu ein­er ein­heitlich bepreis­ten Steuer­marke Markt- und Lizen­zge­bühren zahlen. Da beson­ders die Betreiber klein­er Stände teil­weise sog­ar unter der Gren­ze für die Einkom­men­steuer liegen, stellen diese Abgaben eine unver­hält­nis­mäßig große Bürde für sie dar (Action­Aid, 2018b).


[1]      Auch direk­te Steuern kön­nen auf andere Per­so­n­en abgewälzt wer­den. Die Tren­nung in direk­te und indi­rek­te Steuern ist daher nicht immer scharf, gibt aber Ten­den­zen an.