Durch eine neolib­erale Wirtschaft­spoli­tik, Struk­tu­ran­pas­sung­spro­gramme und zunehmend monop­o­lis­tis­che Wirtschaftsstruk­turen ist die Ungle­ich­heit und Konzen­tra­tion von Ver­mö­gen und Einkom­men in vie­len Län­der in den let­zten Jahren stark gestiegen (Hack­er & Pier­son, 2010; Milanovic, 2016; Piket­ty, 2013). Steuern auf Einkom­men sind ein wesentlich­er Bestandteil pro­gres­siv­er Steuer­sys­teme. In fast allen wohlhaben­den Staat­en ist die Einkom­menss­teuer die größte Ein­nah­me­quelle des Staates und die Ein­nah­men über­steigen die aus der Unternehmenss­teuer meis­tens deut­lich. In ärmeren Län­dern ist sie dage­gen oft noch unterentwickelt.

Kor­rupte Staat­sangestellte und Unternehmer sowie krim­inelle Organ­i­sa­tio­nen ver­steck­ten ihre unver­s­teuerten Einkom­men in Schat­ten­fi­nanz­plätzen und waschen sie im inter­na­tionalen Finanz­markt. Darüber hin­aus bieten beson­ders in den Län­dern des glob­alen Südens informelle Wirtschaftsstruk­turen den nöti­gen Spiel­raum, Einkom­men ille­gal vor der Steuer zu ver­steck­en. Schließlich bieten Lück­en im Steuer­sys­tem und Priv­i­legien für Einkom­men aus Kap­i­tal und unternehmerisch­er Tätigkeit vor allem den­jeni­gen mit hohen Einkom­men und Ver­mö­gen vielzäh­lige Gestaltungsmöglichkeiten.

 

 

Das Problem in Zahlen

 

Ver­schiedene Schätzun­gen gehen davon aus, dass etwa 8% bis 25% des glob­alen Pri­vatver­mö­gens für die Steuer­be­hör­den des Herkun­ft­s­lands unerkan­nt in Steueroasen liegt (Alstad­sæter, Johan­nesen und Zuc­man, 2017; Euro­pean Com­mis­sion, 2019; Hen­ry, 2012; Zuc­man, 2015). Allein durch diese ein­deutig ille­gale Steuer­hin­terziehung über den inter­na­tionalen Finanz­markt ent­ge­hen den Staat­en der Welt jährlich schätzungsweise 190 Mrd. Euro (Zuc­man, 2014). Davon ent­fall­en etwa 15 Mil­liar­den Dol­lar auf afrikanis­che, 21 Mil­liar­den Dol­lar auf lateinamerikanis­che und 35 Mil­liar­den Dol­lar auf asi­atis­che Staat­en. Als Anteil des gesamten Pri­vatver­mö­gens der Län­der entspricht das 30% für Afri­ka, 22% für Lateinameri­ka und 4% für Asien.

Deutsche Steuerzahler haben nach Schätzung der Europäis­chen Kom­mis­sion von 2019 unver­s­teuertes Aus­landsver­mö­gen von 331 Mil­liar­den Euro. Deutsch­land ver­lor dadurch zulet­zt geschätzte 7,2 Mil­liar­den Euro an Steuere­in­nah­men pro Jahr. Gle­ichzeit­ig ist Deutsch­land wichtiges Ziel­land für ille­git­ime und unver­s­teuerte Einkom­men aus dem glob­alen Süden.

Über Steueroasen hin­ter­zo­gene Steuern nach Posi­tio­nen in Vermögensverteilung

Quelle: Alstad­sæter, Johan­nesen und Zuc­man, 2017; Online-Appen­dix: http://gabriel-zucman.eu/offshore/

In Schat­ten­fi­nanz­plätzen ver­steck­tes Ver­mö­gen ist, wie Unter­suchun­gen zeigen, extrem an der Spitze konzen­tri­ert: Alstad­sæter, Johan­nesen und Zuc­man (2019) haben auf Basis von Dat­en aus Swiss Leaks, Pana­ma Papers und Steuer­amnestien fest­gestellt, dass 77% des im Aus­land ver­steck­ten Ver­mö­gens von Skan­di­naviern den reich­sten 0,1% gehört. Die ober­sten 0,01% besitzen ganze 52%. Die Wis­senschaftler spekulieren, dass Finanzin­sti­tute aus Angst vor Rep­u­ta­tion­ss­chä­den und Strafen zwar immer weniger Kun­den ihre Steuer­hin­terziehungs-Dien­stleis­tun­gen anbi­eten. Auf­grund eines höheren Invest­ments pro Kunde wür­den diese allerd­ings pro Fall mehr Prof­it brin­gen. Zudem arbeit­en pro­fes­sionelle Ver­mö­gens­ber­ater, die beson­ders undurch­dringliche Besitzket­ten erschaf­fen, zwar sehr effek­tiv. Sie lassen sich ihre Arbeit jedoch auch gut bezahlen und sind daher erst ab einem investier­baren Ver­mö­gen von mehreren zehn Mil­lio­nen Dol­lar (Har­ring­ton, 2016).
Mech­a­nis­men der Ein­nah­mev­er­luste durch Individuen.

Die in vie­len Fällen ein­fach­ste Meth­ode, Einkom­men­steuern zu umge­hen ist es, Ver­mö­gen und Einkom­men in der Steuer­erk­lärung zu ver­schweigen und in anony­men Kon­struk­tio­nen zu ver­steck­en. Wie die in den Swiss Leaks, Pana­ma Papers und den Par­adise Papers geleak­ten Infor­ma­tio­nen gezeigt haben, bieten Banken, Anwalt­skan­zleien und Steuer­ber­ater eine Vielzahl von Meth­o­d­en an, mit denen Steuern ver­mieden und Gelder gewaschen wer­den kann – oft, aber nicht notwendi­ger­weise, über Schat­ten­fi­nanz­plätze. Auch wenn es einige legale Gründe für Anonymität gibt, ste­ht meis­tens die Umge­hung von Geset­zen im Vorder­grund. Als beispiel­sweise die Bank Cred­it Suisse von den US-amerikanis­chen Behör­den durch­leuchtet wurde, musste sie Schweiz­er Kon­ten von 18.900 ihrer 22.000 US-Kun­den schließen. Die anony­men Kon­ten hat­ten fast auss­chließlich dem Zweck der Steuer­hin­terziehung gedi­ent (Bul­lough, 2018, Kapi­tel 17).

Lange wur­den Schwarzgeld­kon­ten und andere Arten der Geld­ver­wahrung in Steueroasen auch von deutschen Banken und Steuer­ber­atern unter­stützt und ver­mit­telt. Unternehmen, Stiftun­gen, Trusts und viele andere Struk­turen helfen, die Besitzver­hält­nisse effek­tiv zu ver­schleiern. Strohmän­ner kön­nen als offizielle Eigen­tümer reg­istri­ert wer­den. Beson­ders schwierig zu rekon­stru­ieren sind Besitzket­ten, in denen mehrere Struk­turen aus ver­schiede­nen Schat­ten­fi­nanz­plätzen hin­tere­inan­der geschal­tet wer­den. Kas­ten X beschreibt ein Beispiel für Kor­rup­tion mith­il­fe von Ver­schleierung der Eigen­tumsver­hält­nisse großer Vermögenswerte.

 

Kasten 5: Beispiel mit verbreiteten Mechanismen zur Verschleierung von Besitz und Vermeidung von Strafverfolgung, basierend auf Nougayrède, 2016 und Bland, 2018

Ablya­zov war und ist ein wichtiger Mann in der kasachis­chen Poli­tik. Der ehe­ma­lige Min­is­ter für Energie, Wirtschaft und Han­del grün­dete 2001 eine Oppo­si­tion­spartei. Er wurde kurz darauf wegen Amtsmiss­brauchs verurteilt und erlangte ein Jahr später seine Frei­heit zurück – gegen die Garantie, dass er sich nicht weit­er poli­tisch engagieren würde. Es gibt Hin­weise, dass er bere­its in sein­er poli­tisch aktiv­en Zeit Geld aus Staats­fir­men unter­schla­gen hat.

2005 wurde Ablya­zov Auf­sicht­srat der kasachis­chen Bank BTA, deren Aktien­mehrheit er 1998 im Zuge ein­er Pri­vatisierungsauk­tion erwor­ben hat­te. Als BTA 2008 in finanzielle Schwierigkeit­en kam, über­nahm der kasachis­che Staats­fonds Sam­ruk-Kazy­na die damals wichtig­ste Bank des Lan­des. Anschließende Unter­suchun­gen ergaben, dass die finanziellen Prob­leme haus­gemacht waren: Es wird geschätzt, dass Ablya­zov seine Rolle in der Bank genutzt hat­te, um über 10 Mrd. Dol­lar zu unter­schla­gen. Seit­dem wur­den Prozesse in Lon­don, New York, Los Ange­les, Lyon und Astana gegen Ablya­zov und sein Umfeld geführt. Die ans Licht gekomme­nen Doku­mente zeigen die Strate­gie, mit deren Hil­fe das Geld der Bank anonymisiert und gewaschen wurde.

Ablya­zov kon­trol­lierte über spezial­isierte Anwalt­skan­zleien ein Geflecht von nahezu 1.000 (Briefkasten-)Firmen. Diese waren in berüchtigten Schat­ten­fi­nanz­plätzen wie den Britis­chen Jungfer­nin­seln, den Sey­chellen, den Marschallinseln, Bahamas, Belize, Jer­sey und Zypern, aber auch in poli­tis­chen Schw­ergewicht­en wie Großbri­tan­nien und den Nieder­lan­den reg­istri­ert. Offiziell gehörte der Großteil der Fir­men, und damit auch der laut der Vor­würfe unter­schla­ge­nen Gelder, ein­er Rei­he von Men­schen ohne Bezug zu ihm – oft ohne deren Wis­sen. Die Fir­men besitzen sich untere­inan­der und for­men kom­plizierte Besitzket­ten. An deren Ende ste­ht eine Dachge­sellschaft, die von einem Ver­traut­en Ablya­zovs kon­trol­liert wird.

Diese Ver­strick­un­gen sind so kom­plex, dass selb­st Gerichte ihre Prob­leme mit ihnen haben. Es bedurfte der Arbeit von zweiein­halb Jahren, um Ablya­zov den Besitz von nur acht Fir­men in diesem Kom­plex nachzuweisen. So hat der ehe­ma­lige Min­is­ter und ver­mut­liche Mul­ti-Mil­liardär es bish­er geschafft, sein Ver­mö­gen weitest­ge­hend zu erhal­ten – während sich Erspar­nisse sein­er weniger ver­mö­gen­den kasachis­chen Mitbürger*innen in Form von BTA-Renten­fonds in Luft aufgelöst haben. Zurzeit ver­steckt sich Ablya­zov ver­mut­lich in Frankre­ich. Aus Großbri­tan­nien kon­nte er trotz ein­er Verurteilung und dem Einzug seines Pass­es fliehen. Ablya­zov hat­te sich und seine Fam­i­lie näm­lich zusät­zlich mit diplo­ma­tis­chen Pässen der Zen­tralafrikanis­chen Repub­lik ver­sorgt – ein beliebter Trick unter zwielichti­gen Super­re­ichen, um diplo­ma­tis­che Immu­nität vorschützen und frei reisen zu können.

 

Weil die Einkom­menss­teuer in den meis­ten Län­dern der Welt, anders als bei der Unternehmenss­teuer, das gesamte Wel­teinkom­men der Steuerpflichti­gen in deren Heimat­land umfasst, ist es schw­er­er Gewinne legal in Steueroasen zu ver­lagern. Bekan­nte deutsche Sportler wie Michael Schu­mach­er oder Boris Beck­er und Unternehmer wie Richard Bran­son (Vir­gin) haben schon vor vie­len Jahren vorgemacht, dass einige Per­so­n­en auch vor einem Wech­sel des (Steuer-)Wohnsitzes oder sog­ar der Wech­sel der Staats­bürg­er­schaft nicht zurückschreck­en um Steuern zu ver­mei­den. Tra­di­tionell beliebt sind dabei Steueroasen wie Mona­co (ganz ohne Einkom­menss­teuer) und einige Niedrig­s­teuerkan­tone in der Schweiz, aber auch Großbri­tan­nien oder Dubai buhlen um die Reichen der Welt. Immer mehr Steueroasen vere­in­fachen den fak­tis­chen oder zumin­d­est schein­baren Wech­sel des Steuer­wohn­sitzes indem sie Visa und Steuer­res­i­denz-Zer­ti­fikate verkaufen und großzügige Steuer­aus­nah­men für aus­ländis­che Einkom­men ein­führen (Trans­paren­cy Inter­na­tion­al & Glob­al Wit­ness, 2018; Trautvet­ter, 2019).

Darüber, wie viele Men­schen tat­säch­lich aus steuer­lichen Grün­den ihr Heimat­land ver­lassen und wie viele Steuer­res­i­den­zen Steueroasen an Aus­län­der vergeben gibt es kaum gute Infor­ma­tio­nen. Einzelne Unter­suchun­gen zeigen, dass bes­timmte Beruf­s­grup­pen wie Top-Fußballer und Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund stärk­er betrof­fen sein dürften (Kleven, Landais, Muñoz, & Stantche­va, 2019). Steuer­dat­en aus den USA zeigen hinge­gen, dass selb­st inner­halb der USA mit sehr ähn­lichen kul­turellen Bedin­gun­gen Mil­lionäre wegen Steuer­erhöhun­gen kaum in Staat­en mit niedri­gen Steuern ziehen (Young, 2017). Oft reichen für die kleine Gruppe der Super­re­ichen die Dro­hung des Wegzugs und ihr Ein­fluss auf die Poli­tik, um für sich auch in ihrem Heima­tort weitre­ichende Steuer­priv­i­legien durchzusetzen.

 

 

Politische Prozesse und Lösungsansätze

 

Ger­ade die Enthül­lun­gen der zahlre­ichen Leaks aus Schat­ten­fi­nanz­plätzen haben weltweit Impulse für mehr Trans­parenz und eine bessere Bekämp­fung von Steuer­hin­terziehung und Geld­wäsche geset­zt. Bei zwei zen­tralen zivilge­sellschaftlichen Forderun­gen – der Trans­parenz der wirtschaftliche Berechtigten hin­ter Recht­skon­struk­tio­nen aller Art und dem automa­tis­chen Infor­ma­tion­saus­tausch von Infor­ma­tio­nen über Bankkon­ten – gab es in den let­zten Jahren große Fortschritte.

 

 

Transparenz der wirtschaftlich Berechtigten

 

Eine der zen­tralen zivilge­sellschaftlichen Forderun­gen für eine bessere Bekämp­fung von Geld­wäsche und Ter­ror­is­mus­fi­nanzierung genau­so wie von Steuer­hin­terziehung ist die Offen­le­gung der wahren Eigen­tümer hin­ter allen Arten von rechtlichen Kon­struk­tio­nen weltweit. Auch die 1989 von der G7 ins Leben gerufene Finan­cial Trans­ac­tion Task Force (FATF), die mit der Bekämp­fung von Geld­wäsche und Ter­ror­is­mus­fi­nanzierung betraut ist, fordert im Rah­men ihrer mit­tler­weile 40 Empfehlun­gen die Reg­istrierung von wirtschaftlich Berechtigten (Empfehlun­gen 24 und 25) . Auf Basis dieser Empfehlun­gen wer­den in den let­zten Jahren in der EU und in zahlre­ichen Län­dern des Glob­alen Südens Reg­is­ter der wirtschaftlichen Eigen­tümer von Unternehmen geschaffen.

Die 2015 beschlossene vierte Anti-Geld­wäscherichtlin­ie der EU verpflichtete alle Mit­gliedsstaat­en bis 2017 ein Reg­is­ter der wirtschaftlich Berechtigten zu schaf­fen. Die fün­fte Geld­wäscherichtlin­ie von 2018 gibt vor, dass diese Reg­is­ter ab 2020 öffentlich zugänglich sein müssen. Großbri­tan­nien war eines der ersten Län­der, das diese Vorschrift umset­zte und sog­ar einige wichtige mit dem Land ver­bun­dene Schat­ten­fi­nanz­plätze zur Ein­führung von Trans­paren­zreg­is­tern bis 2023 zwang (STEP, 2019). Darüber hin­aus ver­suchen mehrere Staat­en – darunter Großbri­tan­nien – nicht nur inländis­che Fir­men, son­dern zum Beispiel auch aus­ländis­che Eigen­tümer inländis­ch­er Immo­bilien zur Veröf­fentlichung der wirtschaftlich Berechtigten zu zwin­gen. Über die Extrac­tive Indus­tries Trans­paren­cy Ini­tia­tive (EITI) haben sich außer­dem 52 Staat­en zur Veröf­fentlichung der wirtschaftlichen Eigen­tümer in der Rohstoffind­us­trie verpflichtet.

Ins­ge­samt wur­den in diesem Bere­ich auch dank des öffentlichen Drucks in den let­zten Jahren wichtige Fortschritte erzielt. Gle­ichzeit­ig zeigen Stu­di­en jedoch, dass die man­gel­hafte Qual­ität der Dat­en und viel zu bre­it gefasst Aus­nah­men, die Wirk­samkeit ein­schränken. So wer­den zum Beispiel üblicher­weise nur wirtschaftlich Berechtigte mit Anteilen über 25% erfasst und einzelne Rechts­for­men bleiben ausgenom­men (Kno­bel, 2019). Diese Entwick­lun­gen sind wichtig zur Präven­tion von Geld­wäsche und Kor­rup­tion und müssen weit­er vor­angetrieben werden.

 

 

Automatischer Informationsaustausch

 

Um die fäl­li­gen Steuern richtig zu erheben, müssen Steuer­be­hör­den nicht nur die wirtschaftlich Berechtigten ken­nen, son­dern vor allem die Kon­ten und Kon­tenbe­we­gun­gen, die den Steuerpflichti­gen zuzuord­nen sind. Wegen des weitver­bre­it­eten Bankge­heimniss­es und fehlen­der inter­na­tionaler Zusam­me­nar­beit, kon­nten Steuer­be­hör­den weltweit nur eingeschränkt an Infor­ma­tio­nen über Aus­landsver­mö­gen und daraus entste­hende Einkün­fte kom­men. Sie mussten hof­fen, dass die Behör­den ander­er Län­der etwaige Infor­ma­tio­nen über poten­ziell hin­ter­zo­gene Steuern über den soge­nan­nten spon­ta­nen Infor­ma­tion­saus­tausch über­mit­teln – oder dass sie über Anzeigen von frus­tri­erten Ehep­art­nern, nei­dis­chen Nach­barn oder Zufalls­funde einen Anhalt­spunkt erhiel­ten. Bei aus­re­ichend begrün­de­tem Ver­dacht kon­nten sie dann einen Antrag auf Infor­ma­tion­saus­tausch stellen. Beson­ders der Aus­tausch mit Steuer­be­hör­den in Schat­ten­fi­nanz­plätzen war oft ein lang­wieriges, wenig aus­sicht­sre­ich­es Verfahren.

Ein großer Schritt vor­wärts ist daher die Ein­führung des automa­tis­chen Infor­ma­tion­saus­tauschs von steuer­rel­e­van­ten Dat­en. Öffentlichkeitswirk­same Banken­skan­dale, uni­lat­erale Trans­paren­zverpflich­tun­gen der USA für die Finanzin­dus­trie, und der mas­sive Ankauf von Steuer-CDs durch deutsche Behör­den haben starken poli­tis­chen Druck für eine inter­na­tionale Lösung erzeugt. Vor diesem Hin­ter­grund ver­ständigten sich die Mit­gliedsstaat­en der OECD 2014 auf einen mul­ti­lat­eralen Ver­trag zum automa­tis­chen Infor­ma­tion­saus­tausch und einen gemein­samen Berichts­stan­dard („Com­mon Report­ing Stan­dard“, CRS). Dem­nach müssen Banken und andere Finanz­in­ter­mediäre Infor­ma­tio­nen zu Kon­tenin­hab­ern dem jew­eili­gen Herkun­ft­s­land melden, die dann von den heimis­chen Steuer­be­hör­den automa­tisch an die Steuer­be­hör­den der Part­ner­län­der weit­ergeleit­et wer­den. Der Vorteil: Spezielle Anfra­gen sind (größ­ten­teils) nicht mehr notwendig. Zudem wer­den rel­e­vante Kon­toin­for­ma­tio­nen über­tra­gen, von denen die Staat­en mit Steuer­recht­en son­st eventuell nie etwas erfahren hätten.

Anteil der Mit­gliedsstaat­en ver­schieden­er Staaten­grup­pen mit Teil­nahme am CRS

Eigene Berech­nun­gen. Quelle für Teil­nehmer­staat­en am CRS: http://www.oecd.org/tax/automatic-exchange/international-framework-for-the-crs/exchange-relationships/

Mit­tler­weile haben 106 Staat­en dieses mul­ti­lat­erale Abkom­men unterze­ich­net und es gibt fast 4.000 bilat­erale Vere­in­barun­gen über die Umset­zung des Infor­ma­tion­saus­tauschs. Darunter sind zwar auch einige mit Län­dern des glob­alen Südens, diese bleiben jedoch zum großen Teil außen vor. So nehmen beispiel­sweise nur 6 afrikanis­che Staat­en am gemein­samen Berichts­stan­dard teil, von denen bish­er lediglich Mau­ri­tius, die Sey­chellen und Südafri­ka Dat­en emp­fan­gen – also nur rel­a­tiv wohlhabende afrikanis­che Staaten.

Der erste Aus­tausch erfol­gte 2017 für das Steuer­jahr 2016. Die OECD schätzt, dass bis Juni 2019 bere­its 95 Mil­liar­den Euro Mehrein­nah­men durch den automa­tis­chen Infor­ma­tion­saus­tausch gener­iert wur­den (OECD, 2019b). Der Großteil dieser Gelder ist durch Selb­stanzeigen ein­genom­men wor­den. Der Prozess scheint also zu funk­tion­ieren – zumin­d­est teil­weise und für die teil­nehmenden Staaten.

Mit den entsprechen­den Doku­menten kann Finanzin­sti­tuten gegenüber vor­getäuscht wer­den, dass der betr­e­f­fende Men­sch in einem anderen Staat steuerpflichtig ist als der Real­ität entspricht. Als Resul­tat wer­den finanzielle Infor­ma­tio­nen nicht an die zuständi­gen Finanzämter am eigentlichen Steuer­wohn­sitz weit­ergeleit­et. So kön­nen Meldepflicht­en im Rah­men des Infor­ma­tion­saus­tauschs zwis­chen Steuer­be­hör­den ver­schieden­er Län­der umgan­gen wer­den (dazu unten mehr).
Eine der größten Schwächen des automa­tis­chen Infor­ma­tion­saus­tauschs ist, dass viele Län­der des glob­alen Südens bis jet­zt davon aus­geschlossen bleiben. Oft sind die Kapaz­itäten der Steuer­be­hör­den dieser Län­der nicht aus­re­ichend, um die entsprechen­den Dat­en zu sam­meln – und es beste­hen Bedenken ob der Sicher­heit der Dat­en, die an diese Staat­en weit­ergeleit­et wer­den müssten. Es gibt allerd­ings einige wichtige Aus­nah­men wie die Schwellen­län­der Brasilien und Indone­sien, Pak­istan und Ghana, die bere­its Dat­en erhalten.

Darüber hin­aus hängt eine erfol­gre­iche Umset­zung des automa­tis­chen Aus­tauschs ganz zen­tral von der Qual­ität der durch die Banken gemelde­ten Dat­en und die Kon­trolle durch die jew­eili­gen Auf­sichts­be­hör­den in den Län­dern, in denen Geld ver­steckt ist. Sie müssen dafür sor­gen, dass vielfältige und kreative Umge­hungsmeth­o­d­en, wie zum Beispiel über einen vor­getäuscht­en steuer­lichen Wohn­sitz, aufgedeckt und unter­bun­den wer­den – obwohl sie in der Ver­gan­gen­heit oft selb­st mit deren Konzip­ierung und Verkauf gutes Geld ver­di­ent haben. Schließlich gibt es weit­er­hin eine Rei­he von Staat­en, die nicht am Aus­tausch teil­nehmen, allen voran die USA, die zwar aus dem Aus­land umfan­gre­iche Infor­ma­tio­nen ver­lan­gen, aber nur in sehr stark begren­ztem Umfang Infor­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung stellen.

Die Leaks der Ver­gan­gen­heit genau­so wie die danach ent­stande­nen öffentlichen Reg­is­ter der wirtschaftlich Berechtigten und der automa­tis­che Infor­ma­tion­saus­tausch zu Bankkon­ten haben das Poten­zial Steuer­hin­terziehung und Geld­wäsche in Schat­ten­fi­nanz­plätzen deut­lich kom­pliziert­er, kost­spieliger und riskan­ter und damit für den ein oder anderen unat­trak­tiv zu machen. Nach wie vor ist aber ein großer Anteil der glob­alen Ver­mö­gen und Einkom­men auf der Flucht vor Besteuerung und Reg­ulierung und Steuerumge­hungsin­dus­trie und Schat­ten­fi­nanz­plätze sind schon wieder einen Schritt voraus. Für einen erfol­gre­ichen Kampf gegen die immer kom­plex­eren Umge­hungsmeth­o­d­en braucht es gut aus­ges­tat­tete, engagierte Steuer- und Strafver­fol­gungs­be­hör­den, die die erhal­te­nen Dat­en prüfen, auswerten und nutzen. Als ein wichtiges Ziel­land und als Prof­i­teur von ille­git­i­men Geldern aus dem glob­alen Süden ist Deutsch­land moralisch und im Inter­esse ein­er kohärenten Entwick­lungspoli­tik dazu verpflichtet, selb­st proak­tiv nach hier investierten ille­git­i­men Geldern zu suchen. So kann Deutsch­land die Län­der des glob­alen Südens bei der Erhe­bung ein­er pro­gres­siv­en und umfassenden Einkom­menss­teuer zu unterstützen.