Einkommen/Vermögen
Reichtum, Armut und Ungleichheit können auf unterschiedliche Weise definiert werden. Die ökonomischen Faktoren sind dabei Einkommen und Vermögen. Über Einkommen gibt es meist mehr Informationen und es ist die Basis für die meisten wichtigen Indikatoren. Dazu gehört beispielsweise die absolute Armutsgrenze von einem Dollar und neunzig Cent pro Tag.
Einkommen ist in vielen Staaten sowie global sehr ungleich verteilt; die Vermögensungleichheit ist jedoch noch weitaus extremer. Zum Vergleich: Die obersten ein Prozent der Weltbevölkerung vereinen 20,4% des globalen Einkommens auf sich. Für Vermögen liegt der Wert sogar bei 33% (Alvaredo, Chancel, Piketty, Saez, & Zucman, 2018).[1]
Vermeidung/Hinterziehung
Oft wird zwischen legaler Steuervermeidung und illegaler Steuerhinterziehung unterschieden. Die Grenzen sind jedoch fließend. Unternehmen bewerten ihre Steuerkonstruktionen oft nach der Chance, dass sie als legal eingestuft wird. Bis es zu einer behördlichen Beurteilung kommt, ist es somit nicht möglich, eine Konstruktion als legal oder illegal einzustufen. Angesichts vager Regelungen zu Gewinnverschiebung gibt es momentan zahlreiche Konstruktionen, die auf legale Weise einen Großteil der Steuern vermeiden. Wichtig ist jedoch, dass aggressive Steuervermeidung durch Firmen und reiche Individuen, legal oder nicht, in den meisten Fällen illegitim ist. Denn sie ist schädlich für gesellschaftlichen Zusammenhalt und demokratische Selbstbestimmung – und wird außerhalb von Gerichtssälen auch von der großer Mehrheit abgelehnt.
Progressive Steuern
Verschiedene Steuern treffen unterschiedliche Gesellschaftsschichten härter. Progressive Steuern belasten diejenigen Steuerzahler stärker, die auch mehr bezahlen können. Regressive Steuern treffen ärmere Schichten härter als reichere. Die Steuerprogressivität wird relativ zum Einkommen oder Vermögen und nicht in absoluten Zahlen definiert. Denn die Auswirkungen von Abgaben auf die wirtschaftliche Situation der Betroffenen unterscheiden sich für unterschiedlich wohlhabende Gesellschaftsschichten extrem. Zusätzliche Steuern von 10 Dollar im Monat haben für Menschen unter der absoluten Armutsgrenze von 1,90 Dollar eine viel größere Bedeutung als für die reicheren Schichten.
Das Beispiel zeigt bereits, dass pauschale Abgaben und einheitliche Steuersätze oft regressiv wirken. Das Ziel muss insbesondere in einkommensschwachen Staaten aber sein, ärmere Schichten nicht über Gebühr mit zusätzlichen Steuern zu belasten. Steuern wie Umsatz- bzw. Mehrwertsteuern, für die ärmere Menschen einen sehr hohen Teil des Einkommens aufwenden, oder pauschale Abgaben für essenzielle Staatsdienstleistungen wie Pass-Erneuerungen sollten daher nicht die dominante Quelle für Staatsfinanzierung sein. Einkommensteuern und Vermögensteuern mit progressiven Sätzen (also ansteigenden Steuersätzen mit steigendem Einkommen beziehungsweise Vermögen) sind dagegen Beispiele für progressive Steuern mit großer Umverteilungswirkung. Allerdings können auch potenziell regressive Steuern so feinjustiert werden, dass sie zumindest verteilungsneutral wirken. Beispiele dafür sind niedrigere Umsatzsteuern für Grundnahrungsmittel oder höhere Sätze für Luxusgüter.[2]
Schattenfinanzplätze/Steueroasen
Sowohl im Deutschen wie auch im Englischen ist der Begriff der Steueroase („tax haven“) nicht klar definiert und umfasst oftmals unterschiedliche Aspekte. Wir unterscheiden deswegen zwischen Schattenfinanzplätzen, die vor allem durch ihre Anonymität Steuerhinterziehung und Geldwäsche von Individuen ermöglichen („financial secrecy jurisdictions“), und Steueroasen für Unternehmen beziehungsweise Unternehmenssteuerwüsten („corporate tax havens“), die insbesondere Konzerne mit niedrigen Steuern lockern. Viele Staaten und Territorien kombinieren beide Elemente.
Schattenfinanzplätze ziehen mit maximaler Intransparenz anonymes Kapital an. Sie ermöglichen beispielsweise die Gründung von (Briefkasten-)Firmen, bei denen der wahre Eigentümer im Hintergrund („wirtschaftlicher Eigentümer“) nicht veröffentlicht und oft nicht einmal registriert wird. Über Investmentfonds und unterschiedliche Firmenkonstruktionen ist Anonymität nach wie vor aber nicht nur in den Schattenfinanzplätzen, sondern in so gut wie allen Staaten der Welt möglich. So können Steuern hinterzogen sowie Gelder gewaschen und veruntreut werden. Gerade wenn mehrere Scheinunternehmen in verschiedenen Staaten hintereinander geschaltet werden, ist es oft nahezu unmöglich, die Hintermänner zu identifizieren. Über die Anonymität hinaus bieten die Schattenfinanzplätze für ihre Kunden oft von ausländischen Anwaltskanzleien maßgeschneiderte Regulierung und laxe Kontrollen an.
Steueroasen für Unternehmen bieten internationalen Konzernen und Individuen die Möglichkeit, ihre globalen Steuern auf ein Minimum zu reduzieren. Diese Staaten erheben oft keine Steuern auf Unternehmensgewinne, Wertsteigerungen, Erbschaften und ausländische Einkommen oder bieten maßgeschneiderte Ausnahmeregelungen, die den effektiven Steuersatz stark senken. Damit die Unternehmen von diesen Steuersätzen profitieren können, vereinfachen die Steueroasen es Unternehmen, ihre Gewinne dorthin zu verlagern. Zu diesem Ziel stellen sie beispielsweise geringe Ansprüche an die Substanz von Unternehmen und schließen vorteilhafte Steuerabkommen mit den Ländern ab, aus denen Gelder in die Steueroase fließen. Auch reiche Individuen können von den niedrigen Steuern profitieren.
Das Tax Justice Network erstellt zu beiden Kategorien einen Index mit den größten Übeltätern. Seit 2009 veröffentlicht es den Index der Schattenfinanzplätze und seit 2019 auch einen Index der Unternehmenssteuerwüsten. Hier ein Überblick:
Platz im Ranking (höher ist schlechter) | Schattenfinanzindex (2018)[1] | Index der Unternehmenssteuerwüsten (2019)[2] |
1 | Schweiz | Britische Jungferninseln |
2 | USA | Bermudas |
3 | Kaimaninseln | Kaimaninseln |
4 | Hongkong | Niederlande |
5 | Singapur | Schweiz |
6 | Luxemburg | Luxemburg |
7 | Deutschland | Jersey |
8 | Taiwan | Singapur |
9 | Vereinigte Arabische Emirate (Dubai) | Bahamas |
10 | Guernsey |
Hongkong … Deutschland: 24 |
Generell findet man drei unterschiedliche Kategorien von Ländern, die sich in den Indizes häufig auf den vorderen Rängen tummeln:
- Die großen Finanzplätze wie die Schweiz, die USA, Großbritannien, Deutschland und Japan, die vor allem durch ihre Rechtssicherheit und Geheimhaltung attraktiv für Steuervermeidung sind;
- Kleine Staaten, die niedrige Steuern und günstige Rechtskonstruktionen bieten (z. B. Bahrain, VAE, Luxemburg, Singapur, Niederlande, Zypern, Libanon);
- Inselterritorien, bei denen es sich meist um mit Großbritannien verbundene Inseln (Ex-Kolonien) mit teils eigener Rechtsprechung handelt, die besonders als steuerfreier Sammelort von privaten Geldern aus reichen Ländern genutzt werden (z. B. Kanalinseln, Jungferninseln, Bermudas, Kaimaninseln).
[1] Zahlreiche Informationen zu nationaler und internationaler Ungleichheit können hier abgerufen werden: https://wid.world
[2] Eine Liste von relevanten Steuerarten im Entwicklungskontext samt Möglichkeiten, diese progressiv zu gestalten, hat Action Aid zusammengestellt: https://actionaid.org/publications/2018/progressive-taxation-briefings